Pajman :: Blog

16.07.2014
11:36

Wankelmütige Gleichstellung

© Ryan Mc Guire | www.gratisography.com

Schon als die Diskussion über die Anpassung der österreichischen Bundeshymne begann, konnte ich dies nur mit einem Kopfschütteln verfolgen. Ich fragte mich, welche Veränderung die Verwendung einer gendergerechten Sprache in Texten tatsächlich in den Köpfen der Menschen bewirken könnte? Die Aufregung die rund um den Auftritt von Andreas Gabalier entstand, finde ich einfach nur mehr absurd.

 

Es macht mich traurig, wenn ich sehe, wie Menschen, die angeblich für die Gleichberechtigung kämpfen, entgleisen und Andere in dreister Art und Weise beschimpfen. Ich selbst kann Andreas Gabalier nur Recht geben. Bei dem Text der Bundeshymne handelt es sich um ein künstlerisches Werk, das man nie hätte anfassen dürfen. Wenn die Gleichberechtigung der Frauen wirklich davon abhängt, dann müssten wir nicht nur eine Vielzahl von literarischen Werken umschreiben sondern auch einige Gemälde übermalen. 

 

Ich wünsche mir zweifellos eine Gleichstellung von Mann und Frau. Ich bin aber auch Realistin genug, um zu sehen, dass dies noch lange dauern und ganz sicher nicht durch solch verzweifelte Versuche der Politik gelingen wird. Das Schreiben von Texten in gendergerechter Form ist eine quälende und zeitraubende Aufgabe und das Lesen solcher Texte ist schlicht ermüdend. 

 

Was haben wir Frauen von gendergerechten Formulierungen, wenn in vielen Köpfen noch keine Gleichstellung existiert. Die Politik versucht mehr Frauen in typischen Männerberufen zu etablieren, ohne aber darauf zu achten, dass das Umfeld dafür auch bereit ist. Frauen in einem männerdominierten Berufsumfeld müssen wesentlich härter arbeiten, um zu beweisen, dass sie genauso gut sind wie die männlichen Kollegen. Trotzdem erhalten sie nur selten das gleiche Gehalt oder die entsprechende Anerkennung. Sie kämpfen gegen sexistische Vorgesetzte, die nicht in der Lage sind, in ihnen mehr zu sehen, als eine etwas bessere Sekretärin, unabhängig von deren Ausbildung und Fähigkeiten.

 

Doch was passiert, wenn Frauen versuchen ihre Gleichstellung einzufordern? Schnell gelten sie dann als zickig oder es wird ihnen unterstellt sie wären schlecht gelaunt, weil sie gerade ihre Periode haben. Ein Mann in der selben Situation hingegen gilt als couragiert und zielstrebig. Hat es eine Frau erst einmal auf der Karriereleiter nach oben geschafft, hat sie wahrscheinlich ihre Familie vernachlässigt und sich irgendwie nach oben geschlafen. 

 

Es ist noch ein weiter Weg bis es in unserer Gesellschaft zu einem nachhaltigen Wandel kommen wird. Erst wenn in den Köpfen kein Unterschied mehr existiert, erst wenn man nicht mehr über Frauenquoten nachdenken muss, dann findet Gleichberechtigung auch tatsächlich statt. Bis dahin sollten wir uns zwar mit Nachdruck dafür einsetzen, aber bitte nicht mit so lächerlichen Maßnahmen, wie dem Umschreiben eines Textes eines traditionellen Liedes. 

15.05.2014
18:30

Siegeszug der Toleranz

© Paz Stammler Photography | www.paz-photography.com

Ich muss gestehen, dass ich mich an sich nicht für Klatsch und Tratsch der High Society interessiere und Veranstaltungen wie der Song Contest für gewöhnlich unbeachtet an mir vorüber gehen. Nicht so allerdings unsere Teilnahme am Song Contest 2014 durch Conchita Wurst.

 

Ich bin weder ein Fan der Musik von Conchita Wurst noch eine begeisterte Song Contest Mitfieberin, dennoch hatte für mich der heurige österreichische Beitrag eine besondere Bedeutung. Ich habe zum ersten Mal den Song Contest bewusst geschaut, die Daumen gedrückt und gehofft, dass die europäische Gesellschaft jetzt schon bereit dafür ist, ein Zeichen für mehr Toleranz zu setzen. Als der Sieg von Conchita Wurst fest stand, habe ich mich außerordentlich darüber gefreut. Es ist deutlich mehr, als ein musikalischer Sieg - obgleich es ein unglaublich beeindruckender Auftritt mit Gänsehaut-Effekt war. Mir persönlich gibt der Sieg und das darauf folgende mediale Feedback Hoffnung. Hoffnung darauf, dass sich die Gesellschaft weiter entwickelt und lernt Menschen die anders sind als sie selbst nicht anstandslos zu verurteilen.

 

Um so mehr haben mich die negativen Rückmeldungen und Beschimpfungen schockiert. Woher nimmt sich der Mensch das Recht über jemanden, den er gar nicht kennt, zu urteilen? Das Aussehen, die Kleidung oder die sexuelle Orientierung sagen wohl kaum etwas über die Werte und den Charakter eines Menschen aus. Dennoch sind sie nach wie vor offensichtlich bedeutsame Kriterien in unserer Gesellschaft. Doch warum? Ich denke, dass es vor allem die Angst vor dem Anderen, dem Fremden ist, die viele der Kritiker unbewusst antreibt. Veränderung macht Angst, weil der Mensch dabei seinen sicheren Wohlfühlbereich verlassen muss und eine Ungewissheit bezüglich des Ausganges besteht. Ohne Veränderung ist aber auch eine Weiterentwicklung unmöglich. Vielleicht sollten wir uns genau das immer wieder vor Augen führen, um «Fremdartigkeit» akzeptieren zu können.

 

Abschließend möchte ich noch meinen Respekt und meine Bewunderung für Tom Neuwirth aussprechen. Den gesellschaftlichen «Normen» zu trotzen, seinem eigenen Ich sowie seinen eigenen Werten treu zu bleiben und sich den Anfeindungen zu stellen, bedarf einer unglaublichen Stärke. Würden mehr Menschen nur ein wenig mehr Mut und Verständnis beweisen, so müssten wir bald nicht mehr über Themen, wie Toleranz, Gleichstellung, Zivilcourage oder Sozialethik diskutieren und könnten uns anderen Herausforderungen zuwenden. 

 

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